Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Zwischendurch-Balsam für Martin-Geschädigte

George R R Martin Der Heckenritter von Westeros„Vorgeschichte zu Das Lied von Eis und Feuer“ ist die Sache zwar nicht wirklich, aber in der Summe von drei Erzählungen um Dunk, Verzeihung Ser Duncan den Großen, ergeben sich doch immerhin über 400 Seiten Schmökerstoff aus Westeros, die das Warten auf Band 6 (bzw. Band 11 in Deutscher Übersetzung) ein wenig verkürzen können.

Der selbst ernannte Heckenritter hat genug Ehre im Leib, um sich zumeist für den schwierigsten Weg zu entscheiden, ist groß wie ein Turm und dumm wie eine Burgmauer – oder so wird das jedenfalls gerne behauptet. Das Targaryen-hausinterne Intrigenspiel um rote und schwarze Drachen ist aber auch wirklich schwer zu durchschauen, zumal gut und böse weniger mit gut oder böse als mit Entscheidungen zu tun hat: Verräter sind jene, die sich auf die Verliererseite geschlagen haben.

An Ser Duncans Seite zieht Ei: ein etwa zehnjähriger Knabe mit Glatze, die sein silbrig-goldenes, allzu verräterisches Haar verbirgt – gemeinsam mit den violetten Augen die untrüglichsten Zeichen dafür, wen man hier vor sich hat. Ei ist ein Targaryen, wie der Leser sehr bald erfährt, einer aus der geistig gesunden Hälfte der Familie, der das Ritterhandwerk von der Pieke auf erlernen möchte. Die Geschwisterehe ist üblich in dieser Dynastie, weshalb auch der Wahnsinn nie sehr weit ist; gepaart mit Drachenenergie eine höllisch gefährliche Mischung.

Leider nicht geil: Deutsche Namen

Westeros-Reisende treffen auf Schritt und Tritt auf bekannte Namen – oder würden das tun, wäre Der Heckenritter von Westeros nicht ebenso wie die Hauptserie aufs Unseligste eingedeutscht worden. Wie sinnlos dies ist, zeigt sich nicht zuletzt an „Ei“: Wie aus Aegon, seinem richtigen Namen, Egg wird, ist klanglich-wortspielerisch gut nachvollziehbar; „Ei“ lässt davon nichts übrig. In anderen Fällen ist die Eindeutschung einfach nur schmerzhaft scheußlich (Graufreud statt Greyjoy) oder vollkommen sinnlos (Rosengarten statt Highgarden; wenn schon, hätte dieses Adelshaus wohl Hochgartner heißen müssen, einen deutschen Namen, den es tatsächlich gibt).

Abgesehen davon erlaubt der Ritt durch Westeros aus der Sicht eines Underdogs immer wieder erfrischende Perspektiven auf das einige hundert Jahre später angesiedelte Geschehen im Lied von Eis und Feuer und ist – selbstverständlich – gut geschrieben, wenn auch die Dramatik und Epik auf vergleichsweise wenigen Seiten naturgemäß nicht an Martins Opus Magnus heranreichen kann. Die Übersetzung ist dabei der Comicfassung bei Weitem vorzuziehen: Auch deshalb, weil der Band mit der Novelle Der geheimnisvolle Ritter eine dritte Erzählung mit Dunk und Ei enthält, die erstmals auf Deutsch erscheint und mit den beiden anderen eine geschlossene Gesamtheit ergibt.

George R. R. Martin: Der Heckenritter von Westeros. Das Urteil der Sieben. Penhaligon, München 2013. Tb., 414 S.

Autor: Helmuth Santler

11. März 2014 um 10:56

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