Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Yes, we Cann

„Dr. Cannabis Austria“, der Allgemeinmediziner Kurt Blaas, legt einen praktischen Ratgeber für Patient/-innen vor: Cannabismedizin wird dazu beitragen, Österreich in dieser Hinsicht ins 21. Jahrhundert zu führen.

Cannabismedizin in Österreich: ein Thema, das noch immer die Gemüter erhitzt. Ängste, völlige Unkenntnis und seit Jahrzehnten überholte Zuschreibungen à la „Einstiegsdroge“ und „Suchtmittel“ auf der einen Seite, unkritische bis selbstüberhöhende Mystifizierung auf der anderen. Die heimische Gesetzeslage ist ein Spiegelbild dieser Schizophrenie: 1998 gehörte Österreich zu den ersten Staaten, die das wichtigste oder jedenfalls berühmteste Cannabinoid, das THC, als Medikament zuließ. Damals wie heute besteht sogar eine knapp 50-prozentige Chance, die Behandlungskosten von der Krankenkasse ersetzt zu bekommen; in dieser Hinsicht „cann“ es Österreich nach wie vor besser als alle anderen. 2017 markiert hingegen ein Extrem der rückständigen Sorte: Seit Deutschland natürliches Cannabis (Flos cannabis) als Medizin zugelassen hat, ist Österreich das einzige(!) Land Europas, in dem das Heilmittel in seiner ursprünglichsten, wirksamsten und preislich günstigsten Form nicht legal verfügbar ist. (Noch – der Entscheid des deutschen Bundestags dürfte auch hierzulande nicht folgenlos bleiben.) Dafür dürfen hierzulande Stecklinge verkauft werden, Jungpflanzen der potentesten Cannabissorten, natürlich ausschließlich zum Zweck der Raumbeduftung … ein internationales Unikum.

Unglaublich: Die Angst verhindert – immer noch

Auch als Raumbedufter geeignet: Kurt Blaas (li.) genießt das Hanfaroma, Gottfried Hudl präsentiert „Cannabismedizin“.

Versachlichung und Angstlösung (übrigens eine der hervorstechendsten Wirkungen von Cannabis) sind, für viele wohl unglaublich, immer noch das Kommunikationsgebot der Stunde im katholisch-konservativen Überrest der Donaumonarchie. Dr. Kurt Blaas, Cannabismediziner der ersten Stunde und der heimische Vertreter seiner raren Spezies (ca. 40 bis 50 Ärztinnen und Ärzte), hat im Wissen darum ein Bändchen herausgebracht, das quasi das Kindchenschema in Buchform darstellt: Hübsch, lieb, klein und harmlos sieht es aus, man kann es in die Tasche stecken und „in zwei Stunden ist es gelesen“, wie der Mediziner „vom Scheitel bis zur Sohle“ bei der Buchpräsentation versichert. Nach diesen zwei Stunden ist der/die interessierte Patient/-in mit den grundlegendsten Prinzipien der Cannabismedizin vertraut – Hauptindikationen, Verschreibungsprozedere, verfügbare Medikamente und Zubereitungen, Wirkungsmechanismus. Er/sie kennt die aktuelle Rechtslage dank eines erfreulich zugänglich gehaltenen Beitrags des Rechtsanwalts Gottfried Hudl und hat sich vielleicht auch noch mittels der Lektüre des versierten und fundierten Aufsatzes „Cannabis zwischen Medizin und künstlichem Paradies“ des Kulturhistorikers Lutz Musner einen Blick aus einer übergeordneten, soziokulturellen Perspektive verschafft.

Das Büchlein ist bewusst knappestmöglich gehalten, weshalb man Fallberichte oder Näheres zu einzelnen Indikationen vergeblich sucht. Literatur dazu ist vorhanden (etwa Franjo Grotenhermens Hanf als Medizin oder der ethnomedizinische Klassiker Hanf als Heilmittel von Christian Rätsch), für den exorbitanten Forschungsfortschritt der letzten Jahre und der Gegenwart sei an dieser Stelle auf die Website der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin IACM verwiesen.

Die entspannte Buchpräsentation endete mit der in den Raum gestellten Frage, was zu tun sei, um auch Österreich in Sachen Cannabismedizin ins 21. Jahrhundert zu führen. Die sich Kurt Blaas gleich selbst beantwortete, an Rechtsanwalt Gottfried Hudl gewandt: „Ich weiß es. Du führst einen Musterprozess.“ Wofür sich der Anwalt bereiterklärte, vor „80 Zeugen“, wie Blaas herausstrich. Damit scheint der Prozess nun unaufhaltsam auf Schiene gestellt, und ein aus Sicht der Befürworter einer möglichst beschränkungsfreien Cannabismedizin höchst erfreuliches Rennen kann beginnen: jenes zwischen dem Versuch, per Gerichtsweg eine positive Entscheidung herbeizuführen, und den durch den deutschen Bundestag unter Zugzwang gesetzten Behörden. Mögen beide gewinnen, und das bald.

Kurt Blaas, „Cannabismedizin. Ein praktischer Ratgeber für Patienten und Patientinnen“. € 12,90 / 102 S. new academic press, Wien 2016

 

Autor: Helmuth Santler

13. Feb. 2017 um 10:54

Ein Kommentar to 'Yes, we Cann'

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  1. Wir haben ein Video von der Buchpräsentation gemacht, dass seit Fr Abend über 35.000 Personen erreicht und über 8.700 Aufrufe hat.
    Hier der Youtube Link für alle Nicht-Facebooker.
    https://youtu.be/ERy0guFmhsw

    Dürft ihr gerne teilen – werbefrei.
    Pedro

    Pedro Hofmann

    13 Feb. 17 at 14:03

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