Fractal Writing
Christopher Paolini, der Vom-Teenager-zum-Bestseller-Eragon-Autor, hat das Genre gewechselt und sich dafür in einem monatelangen Prozess vom Fantasy-Sprech befreit, um „die Science-Fiction zu schreiben“, die im vorschwebt. Der Anhang von Fractal Noise umfasst 20 Seiten und erklärt in einem Glossar minutiös den ausgefeilten pseudo-faktischen Hintergrund der Story von „Acuwake“ (Wachmacher-Markenprodukt) bis „Zundernatter“ („Reptil von mittlerer Größe, auf Eidolon beheimatet. Mit knöchernen Dornfortsätzen. Gefürchtet wegen …“). Dann folgt noch eine Zeittafel, beginnend mit dem kryptohistorischen Eintrag „Etwa 1700–1800. Der Entzweiungskrieg“, bevor es mit der „Entwicklung und Konstruktion des ersten Raumlifts der Erde“ (2025–2054) in die Zukunft geht. Die Zeittafel endet 2234, dem Jahr, in dem sich das Geschehen des Romans abspielt. Alles schulbuchmäßig. Die Story selbst greift indes auf all das so gut wie gar nicht zurück: Das Raumschiff Adamura entdeckt auf einem lebensfeindlichen Planeten ein gigantisches Loch, das offenbar nicht natürlichen Ursprungs sein kann und einen extrem starken elektromagnetischen Impuls ausstößt – alle 10,6 Sekunden, wie wir im Laufe des Geschehens etwa 150-mal erinnert werden: Auf dem Weg eines Erkundungstrupps zu eben diesem Loch, das der erste Beweis für extraterrestrisches intelligentes Leben sein könnte.
Doch auch dieser Weg, der wegen des 10,6-Sekunden-EMPs großteils zu Fuß zurückgelegt werden muss und während dem wir den Verlust von Menschlichkeit und den Zerfall einer Gruppe erleben und in so unerbittlicher Wiederholung einen zunehmend qualvollen Schritt vor den anderen setzen werden, dass die entsetzlichen Entbehrungen im endlosen Kampf gegen endlosen Wind, endlosen Staub, endlose Ödnis, Staub und wieder Staub, Schmerzen, Schlaflosigkeit, Blasen an den Füßen, Verletzungen und Langeweile streckenweise körperlich spürbar werden, auch diese Pilgerreise durch die Hölle ist nur ein Vorwand für die eigentliche Story. Denn der Xenobiologe Alex, der Protagonist, ist in Trauer. Und dieser muss er sich stellen, darum geht es: um persönliche Erlösung.
So stehen einander ein maximaler Überbau und ein minimaler Plot gegenüber. Die Exekution des Ganzen ist okay, von der am Umschlag verhießenen „atemberaubenden Spannung“ kann freilich keine Rede sein. Vielmehr unterzieht Paolini seine Leserschaft einem Durchhaltetest, was angesichts des eigentlichen Buchinhalts auf der Metaebene absolut stimmig ist.
Cristopher Paolini, „Fractal Noise. Mission ins Ungewisse“. 384 S. / € 23,70. Knaur, München 2024