Die Höhle der vergessenen Träume
Prähistorische Höhlenmalerei? Was im ersten Moment vielleicht bis zur Abwegigkeit fern erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als unendliches Faszinosum und einzigartiger Kulturgenuss. Die Art, wie die „vorgeschichtlichen“ Künstler (der Begriff beweist eigentlich nur, dass wir über unseren historischen Tellerrand hinaus keine Ahnung haben) die Natur wahrnahmen und mit der Menschenkunst zu einer Einheit verschmolzen, ist verstörend präsent, aufwühlend und schlicht und einfach wunderschön. Und je öfter man hinsieht, desto mehr Rätsel entstehen… Wie haben diese Menschen gelebt? Was wollten sie uns mit hochabstrakten, undeutbaren Strichzeichnungen mitteilen? Warum haben sie ausschließlich an Stellen gemalt, die in ewiger Finsternis liegen? Gab es übergeordnete Sozialstrukturen, Kommunikation über große Distanzen? Und wenn ja, wie wurde sie bewerkstelligt?
Ort des Geschehens: Frankokantabrien
Höhlenmalerei fand in unserer näheren Umgebung anscheinend nicht wirklich statt; fündig wurde man insbesondere in Nordspanien und in Frankreich (frankokantabrische Höhlenmalerei). Die Erfahrungen mit der Öffnung von Höhlen für den Publikumsbesuch waren katastrophal – Wände begannen zu schimmeln, die Malereien litten Schaden, auch kostbare geologische Formationen, die Jahrtausende zu ihrer Entstehung benötigt hatten, wurden in kurzer Zeit vernichtet. Altamira wurde geschlossen, Lascaux wurde geschlossen. Alle Versuche, das älteste Weltkulturerbe zu konservieren, führten nur zu einer Erkenntnis: Nur wenn es in völliger Ruhe gelassen wird, ist es wirklich sicher.
Als dann 1994 die Chauvet-Höhle in Südfrankreich entdeckt wurde, mit weit über 400 großteils perfekt erhaltenen Darstellungen an den Wänden, deren Alter von mehr als 30.000 Jahren sie zum mit Abstand ältesten Beleg für menschliches Kunstschaffen überhaupt macht, entschloss man sich sofort, diesen einmaligen Schatz unter Verschluss zu halten. Nur eine handverlesene Gruppe von Wissenschaftlern darf diese Höhle betreten, und dies auch nur wenige Wochen im Jahr zu Beginn des Frühlings.
Virtuos virtuell
Werner Herzog ist es gelungen, eine in Stunden festgelegte Filmerlaubnis zu erhalten, und er ermöglicht uns so einen immer noch virtuellen, aber dank 3-D und moderner Filmtechnik maximal wirklichkeitsnahen Besuch der Höhle. Der Film hat seine stärksten Momente, wenn die Kamera einfach kommentarlos die Rolle als Auge des Betrachters übernimmt und die Darstellungen für sich selbst sprechen lässt. Alles andere, Interviews mit Forschern, der – sprechtechnisch minderwertige – Off-Kommentar von Herzog selbst, der finale Versuch eines philosophisch-mystischen Schwenks, ist durchaus von Interesse und kurzweilig gestaltet, letztlich aber nur Beiwerk.
Unbedingt sehenswert!
3-D Blue-ray (inkl. 2-D-Version) | 2-D Blue-ray | DVD