Im Durcheinanderland der Liebe
Der letzte noch nomadisch lebende Stamm der Inuit wird zum Weltkulturerbe erklärt. Ulik, ein junger Jäger, wird ausgewählt, als Botschafter seines Volkes nach Paris zu gehen. Mit seinen unverbrauchten Ansichten wird er bald zum Sympathieträger; doch auch Konflikte bleiben nicht aus, und der Geldgeber hinter der Aktion, ein Erdölkonzern, agiert natürlich im ureigensten Interesse…
Naiv, liebevoll, erhellend – Uliks Blick auf unsere westliche Überflussgesellschaft ist der eines ganzen Mannes, der ein Kind ist. Schritt für Schritt erkundet er die für ihn fremde und unverständliche Welt und dringt zu den Menschen durch, die ihn umso ernster nehmen, je mehr er sich ihrer Kultur annähert. Wird er vollends aufgesogen werden? Kann er auf die unzähligen Annehmlichkeiten wieder verzichten? Oder geht er in der Assimilation seinem ganzen Volk nur ein Stück voraus?
Lelord bedient sich des Vehikels „Inuitkultur“, um unserer Gesellschaft und hier insbesondere den Geschlechterrollen einen Spiegel vorzuhalten. Sachte, ganz sachte wagt er es zu behaupten, dass das Ende der klaren Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, wie es sie im hohen Norden noch gibt, vielleicht nicht ausschließlich positiv ist. Könnte es sein, dass Mann und Frau doch nicht für jede Aufgabe gleichermaßen und unterschiedslos geeignet sind? Der Autor bleibt dabei im Tonfall stets leicht und wohlwollend und von mitfühlender Heiterkeit getragen; wirklich spaßig sind z.B. die teils erbosten Leserbriefe an Ulik, in denen ihm dasselbe vorgeworfen wird wie dem Autor in so mancher Leser/-innenkritik…
Lelord streichelt, hat dabei seine Hand aber zielsicher auf die empfindlichsten Stellen gelegt. Erfreulich!
François Lelord: Im Durcheinanderland der Liebe. Piper, München 2010. Tb., 250 S.
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Hörbuch