Der Zorn
Der erste, neu als Taschenbuch erschienene Roman eines bis dato literarisch unbekannten, 36 Jahre alten Philosophieprofessors aus Lyon sorgte 2002 für gehöriges Aufsehen: die ultimative, allerletzte Warnung ist eigentlich keine Warnung mehr. Ob wir stoisch bleiben, hysterisch kichern oder uns die Haare raufen – der Bogen ist überspannt. Die Erde muss sich gegen die Krankheit Menschheit zur Wehr setzen.
Anfangs spielen friedliebende Haustiere verrückt und verbeißen sich in die Kehlen ihrer Besitzer; Obst und Gemüse wird plötzlich giftig und unbekannte Viren treten auf, die in 20 Minuten zum Tod führen. Die Erde bebt… Das US-Militär reagiert systemimmanent, erklärt China zum Urheber allen Übels und setzt die Bombe ein. Doch der Krieg findet in uns selbst statt, denn die Erde lebt und wir sind ein Teil von ihr. Ein aus seinen Grenzen gefallener, von Angst getriebener, selbstzerstörerischer Teil, der den gesamten Organismus bedroht…
Marquet schuf einen apokalyptischen, spannend zu lesenden Thriller, der mit seiner gut recherchierten Message nicht hinter dem Berg hält: Kooperation, nicht Wettkampf ist die treibende Kraft der Evolution. Und der Zusammenhang der lateinischen Begriffe „humus“ (Erde), „humanus“ (Mensch) und „humilitas“ (Demut) wirft einen ganz anderen Blick auf das Ganze als der unselige Bibelspruch „Macht euch die Erde untertan!“
Der Zorn ist ein unbequemes Buch. Nicht nur, weil es keinen Rückzieher macht, sondern in unbeirrbarer Konsequenz bis zum Ende geht. Auch, weil es den Finger auf die Wahrheit legt, eine Wahrheit die wie eine offene Wunde in uns schwärt. Amüsant, wie sehr sich daran so mancher Hobbyrezensent auf amazon stößt… amüsant und bezeichnend. Wir wollen die Augen noch immer nicht öffnen. Die Blindheit erhält sich selbst, die Lemminge sind der Menschheit bloß einen Schritt voraus: sie lösen das Problem der Selbstausrottung ohne den ganzen riesigen technischen Aufwand…
Untergangs-Prophezeiungen sind gerade nicht in Mode; ein deutliches Indiz für deren Bedeutung. Lesen!
Denis Marquet: Der Zorn. Bastei-Lübbe, Bergisch-Gladbach 2004. TB, 570 S.