Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Der Aufguss vom Aufguss

51O3S5i-LJL._SL160_Sich durch einen Thriller gefühlt durcharbeiten zu müssen, ist an sich schon das vernichtendste Urteil, das sich über Bücher aus dieser Unterhaltungsliteraturgattung sprechen lässt. Stammt das Werk von einem gewissen Dan Brown, ist zudem jegliche Zurückhaltung im Hinblick auf die grundsätzlich gewaltige Leistung, die es darstellt, ein 600-Seiten-Buch zu schreiben, unangebracht: Als einer der meistverkauften Autoren der Gegenwart könnte er sich alles erlauben – z.B. 10 Jahre an einem Buch zu arbeiten wie Thomas Harris oder radikal mit der eigenen schriftstellerischen Vergangenheit zu brechen wie Joanne K. Rowling. Dan Brown hat nichts davon gemacht: Er hat den Aufguss, den er mit Das verlorene Symbol vorgelegt hat, noch einmal aufgegossen. Er hat sein derart bis zur völligen Geschmacksneutralität verwässertes Schreibrezept in keinem Punkt verändert. Nur kommt diesmal keinerlei Spannung auf, die Storylöcher haben sich zu Abgründen ausgewachsen, die Motive der Protagonisten schwanken unentschlossen zwischen wirr und abstrus hin und her. Alles ist auf maximalen Showeffekt angelegt und geht fast durchwegs einfach nur auf die Nerven. Und sollte Dan Brown nach seiner zweiten von Kritik und Publikum bestenfalls durchwachsen aufgenommenen Wiederholungstat nun doch mit einem Genrewechsel liebäugeln: Bitte werden Sie kein Reiseschriftsteller, Herr Brown. Wenn Sie schon einige der spektakulärsten Locations Europas zu Kulissen degradieren, deren Beschreibungen ähnlich emotional ausfallen wie Anweisungen für Bühnenarbeiter, sollten Sie sich zumindest um eine brillante Story verdient machen. Deren Grundidee sorgte indes erst kürzlich in der BBC-Science-Fiction-Serie Utopia in erheblich aufregenderer Umsetzung für Gruselschauer, ist also so neu auch wieder nicht. Und was die Ausführung betrifft … siehe oben.

Dan Brown, Inferno: Thriller Lübbe, Bergisch-Gladbach 2013. Geb., 686 S., € 26,70 (A)
Kindle-Edition € 19,99 | Audiobook € 21,99

Autor: Helmuth Santler

04. Juni 2013 um 12:25

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