A Game of Thrones: das Comic
Bzw. die „Graphic Novel“, pardon my language. Ist es aber nicht: Da es keinerlei wirkliche Definition für diese Wortschöpfung gibt, nehme ich mir die Freiheit heraus, welche Arbeiten ich als „grafischen Roman“ gegenüber dem „Bildchenheft“ begrifflich adle. Und leider macht diese Adaption zwar vieles richtig, aber der Zeichenstil ist recht glatt, was für mein Empfinden so gar nicht zu der gerade durch das ausgefeilte, überbordende (schmutzige) Detail überzeugenden Romanreihe passen will. Mit den Bildern der großartigen TV-Serie Game of Thrones vor Augen (und wer, der sich für dieses Comic interessieren könnte, würde die nicht gesehen haben?) hat eine Comic-Adaption natürlich von vorneherein einen schweren Stand; so hat man ganz im Sinne von George Martins Vorwort erst gar nicht versucht, in Konkurrenz zu treten, sondern eine dem Medium Comic würdige Fassung zu schaffen. Das ist durchaus gelungen, allerdings taugt diese Adaption einer Romanvorlage zu nicht mehr als einer „Einstiegsdroge“ (GRRM), die manch einen vielleicht dazu bringt, sich am „real thing“ zu versuchen – natürlich George R. R. Martins bisher fünfteiligem Zyklus.
Unabhängig davon ist der horrende Preis des Werks zu kritisieren: Selbst diese broschierte Ausgabe kommt in der deutschen Fassung auf 21 Euro (A) und umfasst gerade einmal die Hälfte des ersten Buches. Für dasselbe als Hardcover wären mehr als 40 Euro zu berappen. Und apropos deutsche Fassung: Theon Graufreud? Jon Schnee? Königsmund? Wirklich? Ich war ja erstmal nur entsetzt, dann peinlich berührt, dann wieder entsetzt als mir aufging, dass diese Namensübertragungen im Geist der 1950er-Jahre in allen neu aufgelegten Bänden des Zyklus so gehandhabt wurden. Ich könnte jetzt … aber nein. Das Ganze ist einfach nur unwürdig; lest es einfach im Original, und zwar am besten gleich „the real thing“, das es seit Kurzem um unschlagbare € 25,95 für alle fünf Bände gibt.
Was aber, wenn nach dem Ende der 3. Staffel der Fernsehserie und 2, 3, 4 (?) Jahre vor Erscheinen des nächsten Buches mal wieder der Cold Turkey ausgebrochen ist? Auch dafür gibt es eine Lösung: Der Heckenritter. Diese ebenfalls in Westeros angesiedelte Story spielt etwa 100 Jahre vor den Ereignissen in A Game of Thrones, die Targaryens stellen die Königsdynastie. Erzählt wird die Geschichte von Dunk, dem Knappen eines Heckenritters, der sich nach dem Tod seines Herrn selbst zu Ser Duncan ernennt. Über ein Turnier möchte er sich ritterliches Ansehen erwerben, doch der Sieg im Wettstreit ist bald seine geringste Sorge, legt er sich doch mit den Machthabern an … Doch typisch für die Targaryens scheint zu sein, dass sie nur im Extrem zu haben sind: edelste Gesinnung oder skrupelloser, blutgieriger Wahnsinn, und so bekommt Dunks Problem alsbald eine dynastische Dimension.
Die Zeichnungen gefallen mir besser als die des A Game of Thrones-Comics, die Story ist großteils kurzweilig, wenn auch natürlich der Suchtfaktor, der noch so ziemlich jeden Verschlinger des Hauptepos erwischt hat, fehlt. Für ein Comic, meine einzige negative Kritik, gibt es einige extrem textlastige Passagen, bei denen eine recht intime Kenntnis der Herrscherhäuser mit all ihren offiziellen und weniger offiziellen Namen, Beinamen und Spitznamen und natürlich der Verwandtschaftsverhältnisse gefragt wäre … kurz gesagt, man kennt sich stellenweise einfach nicht aus, wer jetzt wem warum einen Zacken aus der Krone hauen möchte. Mag sein, dass das ein Problem der Comic-Adaption ist; in diesem Fall lohnt evt. die Anschaffung des Prosawerks. (In welchem sich die Sache tatsächlich anders darstellt, siehe dort.)
Und der Vollständigkeit halber: Natürlich gibt es The Hedge Knight
auch als Graphic Novel im Original, allerdings momentan nur zu Liebhaberpreisen.
Hier geht’s zu meinem Feature für George-Martin-Süchtige, denen der Lesestoff ausgegangen ist.