Auf den Punkt gebracht
Worum es geht und warum Sie das jetzt lesen sollten: Seminar „Titel, Vorspann, Bildtext“ – ein Plädoyer für die kurzen Texte
„Kurztexte sind die einzige Werbung, die ihr für eure Texte machen könnt.“ Steffen Sommers „Plädoyer für die kurzen Texte“, ein zweitägiges Journalisten-Seminar, rückte die großen Kleinen in den Vordergrund: Schlagzeile, Lead und Bildunterschrift. Belebung durch Sonne prägte die Fortbildung, deren Titel die zentrale Botschaft bereits in sich trägt: form follows function.
Erst die Funktion
An erster Stelle steht die Funktion. „Titel, Vorspann, Bildtext“ ist eine einfache Auflistung, weil nichts anderes möglich ist, um die Information zu vermitteln – und etwas anderes interessiert im Fall von nachrichtlichen Titeln nicht.
Anders die Locktitel: Sie sollen die Lust auf Text und Thema wecken, Esprit ist also Teil ihrer Funktion. „Blut in die Titel pumpen“ um „Dopamin in Leserköpfen“ zu erzeugen lauten denn auch die Regieanweisungen – und dementsprechend darf und soll mit allen Tricks gearbeitet werden, um die Lesefalle zuschnappen zu lassen. Das wurde mit zahlreichen Beispielen anschaulich gemacht, sodass niemand zum Abschied „Lousy Service“ sagte.
Schreiben, um gelesen zu werden
Die beste Lesefalle, der blutvollste Titel wird zum Ärgernis, wenn der Text die Erwartungen nicht zu erfüllen vermag. „Mutet euren Lesern nur Texte zu, die für sie interessant sind“, empfahl der Vortragende: Grundlage guter journalistischer Praxis ist die Orientierung an den Leserbedürfnissen, und diese beginnt bereits bei der Themenwahl. Ein effizienter Weg zum spannenden Beitrag führt über den Küchenzuruf: „Worum geht’s? Und warum soll ich das jetzt lesen? Wenn ihr diese beiden Fragen euren Lesern vor dem Schreiben überzeugend beantworten könnt, wird der Text interessant für sie werden – und sich deutlich flüssiger verfassen lassen.“ Und der Vorspann ist mit dieser Methode ebenfalls bereits fertig, bevor es ans „Rausrotzen“ des Fließtextes geht.
Damit der Kunde glücklich ist …
… wird in all den Tausenden von Auftrags-Publikationen, die meist ungelesen im Rundordner landen, gegen das Leserinteresse vorgegangen. Hauptsache, der Chef fühlt sich ausreichend in seiner Großartigkeit bestätigt. Dazu Sommer: „Manchmal ist es nötig, seinem Kunden auch mal etwas auszureden.“ Nicht gelesen heißt nicht wahrgenommen zu werden, und selbstverliebte Fadesse zu verbreiten wird außerhalb des Vorstands ebenso wenig zu Imageverbesserungen führen.
Respektiert eure Leser!
Nicht zuletzt sind Jubelpostillen im Stile von „Wir sind die Besten!“ auch belehrend und bevormundend. Sie verstoßen häufig gegen zwei Ratschläge für gute journalistische Texte gemäß der Wolf-Schneider-Schule, als von der „gehirngewaschen“ sich auch Steffen Sommer bekannte. Sie beherzigen das „Show, don’t tell“ nicht und schwelgen stattdessen in Adjektiven. Diese aber sind „intersubjektiv nicht kommunizierbar“, erlaubte sich Steffen Sommer einen seltenen Ausflug in die Abstraktion. Sogleich wurde er aber wieder beispielhaft: „Die Nacht war wunderbar, sagte der Masochist. Die Nacht war wunderbar, sagte der Astronom.“ Telling, not showing – und noch dazu für jeden mit einer anderen Bedeutung.
Einer muss leiden …
… entweder der Autor oder der Leser“, lautet ein Zitat von Wolf Schneider. Es ist Arbeit, auf den Punkt zu kommen, konkret zu sein, und umso mehr Arbeit und umso wichtiger, je weniger Zeichen dafür zur Verfügung stehen. Darum geht’s und darum habt ihr diesen Text bis zum Ende gelesen.