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Der Tod wirft lange Schatten

Heinichen, Der Tod wirft lange SchattenHeinichen, Der Tod wirft lange Schatten Tb„Ich empfinde den Krimiroman als adäquates Mittel, um unsere Gesellschaft abzubilden“, hat Veit Heinichen einmal über seinen Schreibimpuls gesagt. Getreu diesem Antrieb sind seine Proteo-Laurenti-Krimis stets weit mehr als das Aufspüren gewöhnlicher Verbrechen: Vergangenheit und Gegenwart Triests spielen in die Fälle hinein. Und die geradezu absurd verworrene Geschichte der nordadriatischen Hafenstadt sorgt dafür, dass Heinichen die Verschwörungstheorien um Waffenschieber, Drogen- und Menschenhändler, Geheimlogen, Malteserorden, Cosa Nostra usw. nicht ausgehen; nur dass sich seine „Theorien“ eher wie wohl fundierte Zeitungsmeldungen mit zeithistorischem Hintergrund lesen.
In seinem 4. Fall läuft der Autor zur bisherigen Höchstform auf, verbindet den Witz der beiden ersten und den bitteren Zynismus des dritten Bandes zu einer hoch explosiven, plastisch erzählten Mischung. Seine Figuren werden immer noch greifbarer, während er es sich bereits in feinen Dosierungen erlauben kann, mit ihnen mehr als bisher zu spielen. Den zahlreichen Handlungsfäden in einem nicht notwendigerweise chronologischen Netz ist allerdings nicht immer ganz einfach zu folgen; vieles in und über Triest wird auch nach diesem Werk ungeklärt bleiben…
Der Tod… ist erneut ein (gefährlich) gründlich recherchiertes, hoch komplexes Zeitbild des (organisierten) Verbrechens geworden, abgebildet auf „zufällig“ verwobenen, persönlichen Schicksalen, und natürlich mit dem unverwechselbaren triestinischen Flair gewürzt. Die „Specials“ diesmal: organisiertes Taubstummen-Betteln, eine anarchistische Tierschützervereinigung namens „Rinderwahn“ („Mucca Pazza“), eine Menge hitzebedingte hormonelle Maiverirrungen und vollkommen undurchsichtige Einmischungen des Geheimdiensts…
Veit Heinichen: Der Tod wirft lange Schatten. Proteo Laurentis vierter Fall. Zsolnay, Wien 2005. Geb., 358 S.

Autor: Helmuth Santler

08. März 2011 um 12:47

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