Kontrovers, mühsam, gescheitert
Ein unterhaltender Roman, ein (pseudo)wissenschaftlicher Diskurs, ein Kommentar zur Gentechnik, ein komplexer Kriminalfall mit Anklängen an die raffinierten Schnitzeljagden à la Dan Brown, das alles gewürzt mit intersexueller Innenschau – Ralf Isaus neues Buch ist wohl sein ambitioniertestes Projekt bislang. Leider ist es misslungen.
Isaus Ausgangspunkt ist eine Kritik am „Dogma“ Evolutionstheorie, der er das in letzter Zeit heftig unter Beschuss geratene „Intelligent Design“ entgegenstellt. Wie ärgerlich, wenn eine kurze Nachrecherche die völlige Haltlosigkeit seines Hauptargumentes erbringt: ID verleugnet die Existenz der Übergangsformen zwischen den Arten (missing links), obwohl der Urvogel Archeopteryx, ganz klar mit Vogel- und Reptilieneigenschaften ausgestattet, eine Palette von über 1000 solchen fossil belegten Übergangsformen anführt.
Das eigentliche Problem der neodarwinistischen Auslegung – die Ableugnung der Existenz jeglicher immaterieller (geistiger) Kraft und damit die Wegbereitung für reinen Materialismus, Kapitalismus und survival of the fittest – ist ein würdiges Angriffsziel, mit dem Wegsprengen des eigenen argumentativen Fundaments machen sich ID und Isau allerdings selbst unmöglich.
Als Diskussionsbeitrag ist das allemal ein Garant für hitzige Debatten – Isaus Kritik an der „areligiösen Glaubensform“ Naturwissenschaft hat ja durchaus seine Berechtigung, er regt zum eigenständigen Denken an, zum Widerspruchsgeist. Ein großes Plus. Ob er sich bewusst auch selbst zum Ziel kritischer Reflexion macht, vermag ich nicht zu beurteilen.
Abseits dieses ideologischen Hickhacks bleibt ein Roman aus krampfhaft ineinander verschachtelten Versatzstücken, die einfach nicht passen wollen – die Interpretationen der Seriendiebstähle wirken an den Haaren herbeigezogen, die Thrillerelemente vermögen in keiner Phase Spannung zu generieren, und die auf der Buchrückseite vollmundig angekündigte Innenschau in das Gefühlsleben eines Hermaphroditen – wie hätte sie gelingen sollen? Und dann noch eine Spitze gegen den Machbarkeitswahn im Allgemeinen und die Gentechnik im Besonderen – gut und schön, aber einfach unpassend und viel zu viel des Guten.
Ein kontroverser, zur Debatte animierender, aber letztendlich gescheiterter Versuch. Und einfach mühsam zu lesen.
Ralf Isau: Die Galerie der Lügen. Oder der unachtsame Schläfer. Ehrenwirt 2005. Geb., 637 S.