Filzläuse des Friedens
Pierre Lemaitre hat 2013 mit seinem Roman Wir sehen uns dort oben überzeugt: ein Antikriegsbuch, eine gallbittere Schwejkiade, Schmerz und Scherz in eins verflochten. Die Story: In den letzten Tagen des Ersten Weltkriegs wird Albert verschüttet; Édouard rettet ihn, da reißt ein Granatsplitter seinen ganzen Unterkiefer fort. Entstellt, unfähig zu sprechen, zu essen, will Édouard nur noch sterben, doch Albert nimmt sich seiner so lange an, bis er seinen Lebensmut wiederfindet. Die beiden „Filzläuse des Friedens“ (Vorwort der Comic-Adaption) setzen sich fest im Pelz der Nation und saugen am Blut der patriotischen Selbstüberhöhung. Ihr Racheplan ist ein Schlag ins Gesicht der ehrbesessenen, verlogenen Gesellschaft.
Christian de Metter verleiht Lemaitres Figuren in der vom Autor selbst initiierten Comic-Adaption die Gesichter, unverwechselbar, echt, voller bewegender Emotionen und gefühlloser Grausamkeit. Großes, dramatisches Kopfkino mit ganz wenigen Worten. Kann sein, es spricht sich doch noch herum, wenn nur genug Filzläuse am Patriotenblut saugen: dass es überall gleich schmeckt, das Blut.
Pierre Lemaitre / Christian de Metter: „Wir sehen uns dort oben“. € 30,50 / 176 S. Splitter-Verlag, Bielefeld 2016
Eine etwas ausführlichere Besprechung finden Sie hier.