Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Der Übermensch im Zeitalter der Gentechnik

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Designte Babys, personalisierte Killerviren, überlegene Nutzpflanzen: Gentechnik ist auch aus Marc Elsbergs Blickwinkel ein weites und kontroverses Feld.

Der Außenminister der USA erliegt einem Herzanfall; bei der Obduktion wird ein Symbol sichtbar, das sich auf dem Herzen des Mannes gebildet hat. Zur selben Zeit gerät eine Agro-Gentechnikfirma in helle Aufregung, weil ein wahrer Supermais gefunden wird: Schädlings- und dürreresistent sorgt er für reiche Ernte – inmitten eines landwirtschaftlichen Notstandsgebiets in Afrika. Und dieses dem Branchenstandard weit überlegene Produkt wurde anscheinend verschenkt … Auch zur selben Zeit verschwindet Jill spurlos: eine hochintelligente junge Frau mit dem Aussehen eines Supermodels, die offiziell 15 ist und schon das dritte Jahr am MIT studiert. In Wahrheit ist sie noch deutlich jünger – und intelligenter, als irgendjemand ahnt. Schließlich erleben wir noch, wie einem kinderlosen Paar ein unglaubliches Angebot gemacht wird: ein gentechnisch designtes Baby mit überlegenen Anlagen.

Es dauert eine Weile, bis klar wird, wie diese Storylines zusammenlaufen, und bis dahin entgeht Marc Elsbergs neuester Thriller nicht jeder einzelnen Untiefe im Lesefluss. Auch weil die ab und an eingestreuten Science Facts wenig zur Erhellung beitragen. Im weiteren Verlauf spielt das keine Rolle mehr, denn nachdem der Text erst einmal so richtig Fahrt aufgenommen hat, ist nur noch Spannung pur angesagt.

Erst kühl, dann heiß

Das Buch wirkt mitunter konstruiert, die Schreibe ist vor allem anfangs etwas unterkühlt. Letztlich überwiegen die Pluspunkte aber deutlich: Auch wenn der wissenschaftlich/faktische Hintergrund, den Elsberg wie bei ihm gewohnt akribisch erhoben hat und auf dem er seine fiktive Handlung aufbaut, zu wenig Beachtung findet, um von einem Wissenschaftsthriller zu sprechen, wirft der Text doch etliche brisante Fragen auf: Was wäre, wenn Agrogentechnik kein höchst profitables Businessmodell, sondern eine Art Menschenrecht wäre, das allen kostenlos zugute kommt? Sollte vor diesem Hintergrund die grundsätzliche Haltung gegenüber Gentechnik überdacht werden – zumal mit den jüngsten Entwicklungen GMOs als solche gar nicht mehr zu identifizieren sind, was die Flucht nach vorn allen Vorbehalten zum Trotz alternativlos erscheinen lässt? Ist der genetisch optimierte Mensch womöglich längst Realität? Schließlich wurde doch immer schon alles gemacht, was sich machen ließ … Und wenn ja: Ziehen wir uns selbst unsere Nachfolger heran, die dereinst auf die „naturgeborenen“ Menschen herabblicken werden wie unsereiner auf die Neandertaler?

Nach dem realistisch eingeschätzt größten Bedrohungsszenario für eine westlich-industrialisierte Gesellschaft, dem BLACKOUT – Morgen ist es zu spät, und einer quälend konsequent vorausgedachten Dystopie rund um Big Data und die Begeisterung, mit der wir alle diesen Informationsmoloch füttern (ZERO – Sie wissen, was du tust) hat sich der Bestsellerautor diesmal also die Gentechnik vorgenommen. Und auch wenn ich persönlich das Buch insgesamt ein wenig hinter den beiden ersten einreihen würde: lesenswert für alle Liebhaber faktenbasierter Fiktion mit hohem Unterhaltungswert. (Und ja, ich habe hier ganz bewusst nur die männliche Form verwendet; HELIX ist seiner ganzen Anmutung nach ein typisches Buch für Testosteronträger.)

Marc Elsberg, „HELIX – Sie werden uns ersetzen“. € 23,60 (A) / 648 S. Blanvalet-Verlag, München 2016

Autor: Helmuth Santler

13. Okt. 2016 um 17:40

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