Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Duden: der 27. Standard

Jetzt haben sie es also wieder gemacht: den Duden überarbeitet und neu herausgebracht. Zum 27. Mal, und selbstverständlich ist „das umfassende Standardwerk“ dabei wieder ein Stück gewachsen, um rund 5.000 Einträge bzw. 50 Seiten. Den stärksten Eindruck hinterlässt freilich die neue, dominante Präsenz, deren äußeres Zeichen der über Cover und Buchrücken hingehämmerte, formatfüllende Schriftzug DUDEN ist.

Und warum auch nicht: Das orthografische Hin und Her ist Geschichte, schon Ausgabe 26 hatte die Verweise auf die alte Schreibweise gelöscht. Im Jahr 21 der Rechtschreibreform fühlen sich die Gralshüter des Deutschen befugt, ihre unangefochtene Position wieder erhobenen Hauptes einzunehmen. Zumal es ja ansonsten auch wenig spektakuläre Neuerungen zu vermelden gab, sieht man von der Einführung eines neuen Buchstabens, des großen scharfen S (ẞ zusätzlich zu ß) einmal ab. Das mag für Typografie-Nerds der Entdeckung eines neuen Primaten gleichkommen, de facto ist es weitgehend bedeutungslos und jedenfalls fakultativ: STRASSE oder STRAẞE, wie es beliebt.

Meinen ganz persönlichen Lackmustest hat der gelbe Ziegel jedoch nicht 100-prozentig bestanden: Die Reform wurde auch dieses Mal nicht zu Ende geführt, womit es weiterhin angesichts Tausender/tausender Schreibweisen-Wahlmöglichkeiten eigentlich gar keine einheitliche deutsche Rechtschreibung gibt. Und was neu aufgenommene Begriffe angeht: Schon in Ausgabe 26 habe ich das aus dem Englischen übernommene „Narrativ“ vermisst, womit allgemein die Erzählung, Schilderung gemeint ist, im Speziellen aber das Produkt der Spin-Doktoren angesprochen wird. Jene Version der Ereignisse ist „wahr“, die in den meisten Ohren hängen bleibt. Das ist beileibe nicht neu (Geschichte wird von Siegern geschrieben), aber in Zeiten permanenter medialer Überstimulierung aktueller denn je. Das Narrativ hat es aber auch in die 27. Dudenausgabe nicht geschafft, weiterhin ist lediglich das Adjektiv narrativ für erzählend zu finden, das keinerlei Bedeutungs-Mehrwert hat. Lustig ist die Tatsache, dass es die schöne, Duden-eigene Wortschöpfung „Wortnest“ für die Gruppierung von etymologischen Verwandten nicht ins eigene Lexikon geschafft hat, akademisch abgehoben wirkt die Zuweisung des sächlichen Geschlechts zum neuen Eintrag „Hashtag“: der Hashtag klingt vertraut und richtig, müsste jedoch ab sofort als schwerer Fehler à la „der Haus“ vermerkt werden.

Von derlei Details abgesehen ist und bleibt der Duden natürlich das gewohnt Vertrauen erweckende, beruhigend massive Nachschlagewerk Nummer eins für alle ernsthaft an Deutsch Interessierten. So nahe an der Perfektion, wie man einem sich ständig wandelnden Gegenstand nach menschlichem Ermessen kommen kann. Höchster Respekt!

Duden 1 – Die deutsche Rechtschreibung: Das umfassende Standardwerk auf der Grundlage der amtlichen Regeln € 26,80 / 1.264 S. 27. Auflage, Dudenverlag Berlin 2017

Autor: Helmuth Santler

28. Okt. 2017 um 14:15

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