Keine Burschenschafter im Verfassungsgerichtshof
Sehr geehrter Herr Bundespräsident,
als einer Ihrer Wähler aus Überzeugung (und nicht um den Gegenkandidaten zu verhindern) möchte ich Ihnen zuallererst meinen Dank aussprechen: Dafür, dass Sie sich untadelig und getreu Ihren Haltungen für ein humanes Österreich einsetzen. Auch wenn es Ihnen nicht möglich war, Figuren wie einen Herrn Kickl zu verhindern, habe ich nie den geringsten Zweifel gehegt, dass Sie alles Menschen- und Bundespräsidentenmögliche in die Waagschale geworfen haben, um als Korrektiv der für mich sehr negativen weltanschaulichen Entwicklungen in unserem Land einzuwirken.
Nun stehen erneut richtungsweisende Personalentscheidungen an. Mit großer Sorge erfüllt mich die Vorstellung, dass Personen des rechten politischen Rands Ämter im Verfassungsgerichtshof einnehmen könnten. Ich kenne keinen der Kandidaten persönlich und bin ausschließlich auf die mediale Berichterstattung als Informationsquelle angewiesen. Dessen ungeachtet erlaube ich mir einen Standpunkt: Ich gehe mit den kritischen Stellungnahmen insbesondere bezüglich Herrn Univ.-Prof. Andreas Hauer konform und teile ganz und gar nicht die Ansicht, eine Mitgliedschaft bei einer Burschenschaft sei „Privatsache“. Auch wenn es sicherlich zwischen Burschenschaften zu differenzieren gilt, haben jedenfalls alle deutschnationale Wurzeln und stehen im begründeten Generalverdacht der Nähe zu rechtsextremem Gedankengut. Von der grundsätzlich obsolet scheinenden Männerbündelei einmal ganz abgesehen.
Wer Mitglied in einer Vereinigung ist, von dem darf angenommen werden, dass er sich in hohem Maß mit den Zielen und ideologischen Überzeugungen dieser Gruppierung identifiziert. Der Verfassungsgerichtshof, eine der fundamentalsten Säulen des Staates, muss über jeden Zweifel erhaben sein. Diese beiden Aussagen sind meiner Ansicht nach ebenso unbestritten wie unvereinbar mit der Aufnahme eines Mitglieds einer schlagenden Burschenschaft.
Weniger kritisch wird die Personalie Michael Rami gesehen, was mich insofern wundert, als dass mit ihm ein mehrfacher Verfahrensführer für die FPÖ zum Zug käme. Wer garantiert, dass dieser Mann stets nach bestem Wissen und Gewissen im Sinne der Bewahrung der österreichischen Verfassung entscheidet – und nicht zugunsten einer Partei?
Sehr geehrter Herr Bundespräsident, ich ersuche Sie dringendst, diesen Ernennungen die Zustimmung zu versagen und dafür zu sorgen, dass sich der Verfassungsgerichtshof die politische Unabhängigkeit, die ihn überhaupt erst ermöglicht, bewahrt.
Hochachtungsvoll,
Helmuth Santler