Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

101 Jahre närrische Weisheit

Der Greis, der alles weiß und jeden kennt, nie etwas plant und gerade deshalb immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist: Allan Karlsson, einst Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, hat genug vom Bali-Dauerurlaub, und wie es eben so kommen muss, endet dieser dann auch prompt (kurz nach dem Geld). Eine Ballonfahrt gerät außer Kontrolle, die erstaunliche Rettung erweist sich als Unglück im Glück: Das nordkoreanische Schiff auf dem Weg nach Pyönjang ist nicht nur das, eben nordkoreanisch, sondern auch Schmuggler einiger Kilo angereicherten Urans, um das sich dahinschleppende Atomprogramm des großartigsten Landes der Erde in Schwung zu bringen.

Allan macht wie immer, was ihm gerade einfällt, und wird über etliche Stationen bei Kim-jong un, Donald Trump, afrikanischen Hexenmeistern, schwedischen Wahrsagerinnen, Angela Merkel, unterwürfigen und arroganten Agenten diverser Nachrichtenorganisationen und sonstigen lustigen und halblustigen Gestalten zum Hundertjährigen, der zurückkam, um die Welt zu retten. Herrlich, wie Jonasson die Gelegenheit nutzt, POTUS vulgo Protzus vulgo Trumpeltier so richtig die Meinung zu schmieren und dessen nordkoreanischen Zwilling im Geiste auflaufen zu lassen. In der zweiten Hälfte werden Zufall und Absurdität auf die Spitze getrieben oder darüber hinaus – Geschmackssache; unterhaltsam ist es allemal, sieht man von kleineren Längen im dritten Viertel ab. Begleitet wird alles von einem konstanten Strom des ganz normalen Irrsinns, denn Allan hat das Internet entdeckt und quält jeden, der ihm zu nahe kommt, mit den neuesten Perlen aus der Rubrik Noch-verrückter-kanns-jetzt-nimmer-Werden, die sich täglich selbst widerspricht und immer neue Tiefpunkte erreicht.

Die Allan von seinem Schöpfer übertragene Aufgabe, sich „zu mehr oder weniger allem“ zu äußern, bringt selbst den unverwüstlichen Jahrhundertnarren an seine Grenzen. Immerhin ist der Rahmen abgesteckt: „Herr Jonasson, Ihnen ist schon klar, dass das nichts helfen wird, oder?“
„Ja.“
„Gut. Dann können Sie auf mich zählen.“

Gesagt, getan. Alle Irre mit Einfluss dieser Welt kümmerts erwartungsgemäß nicht, obwohl Jonasson sich in seiner aktuellen Politsatire weltpolitisch wagemutig weit aus dem Fenster hängt. Die Brisanz ist freilich in so viel Schmäh gewickelt, dass kaum auffällt, was eigentlich am schlimmsten ist: dass Tatsachen wie böse Satire wirken. Und auch deshalb die dreistesten Lügen die besten Chancen haben, geglaubt zu werden.

Jonas Jonasson, „Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten“. € 20,60 / 450 S. C. Bertelsmann, München 2018

Autor: Helmuth Santler

25. März 2019 um 20:31

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