„Eine Show, die betäubt“
„Wenn ihr die Zeit zu zweit gut ausgekostet habt, seid ihr herzlich eingeladen, Kieselsteine in den See zu werfen und im nahe gelegenen Wald Verstecken zu spielen.“ Das ist keine Satire, sondern ein Zitat von der Website der Terme Olimia. Was sich dort sonst noch finden und erleben lässt? Lest weiter.
„Idyllische Häuschen mit raffinierter architektonischer Finesse und Traditionen aus Kozjansko geben Ihnen das Gefühl, dass Sie in eine Zeitmaschine eingetreten sind und in der Zeit der Kutschen und Schlossprinzessinnen gelandet sind.“ Tatsächlich könnten die Holz-und-Stein-„Häuschen“ des Dorfes Lipa mit geschätzt je 400 m² Wohnfläche und im Schnitt fünf Apartments großbäuerliche Anwesen aus dem vorvorigen Jahrhundert sein. Sähen nicht alle 25 bis auf den letzten Ziegel identisch aus. Der Eindruck eines „Dorfes wie aus dem Märchen“ mag überdies nicht so recht zu den neonpink leuchtenden Pools und kubistisch verformten Rauchglasfassaden der Therme und dem hektisch blinkenden Kinderkarussell auf dem „Dorfplatz“ passen. Kutschen – in der modernen pferdelosen Variante – gab es zuhauf, sodass es gar nicht so einfach war, die eigene abzustellen. „Schlossprinzessinnen“ scheinen hingegen im Osten Sloweniens Mangelware zu sein – oder vielleicht sind sie in den weißen Einheitsbademänteln der Terme Olimia auch einfach nicht zu erkennen. Aber zugegeben, die Spezies ist generell äußerst selten, und es war ja auch nur von einem Gefühl die Rede. Treten wir also ein in unsere Bleibe der nächsten Tage.
Atemberaubender Auftakt
„Wenn Sie den Schlüssel drehen und die Tür öffnen, werden Sie von der Wärme des Raumes, der Sie umgibt, fasziniert sein. So echt und so authentisch, dass es Ihnen einen Moment lang den Atem rauben wird.“ Tja. Also – nein. Die Wärme des Raumes betrug exakt 20 Grad laut Thermostat, fühlte sich jedoch ungemütlich kühler an. Weil: der Boden eiskalt und dafür die Terrassentür gekippt. Authentisch war es: Keinerlei billige Drucke an den Wänden oder sonstige Dekoelemente lenkten von der Tatsache ab, sich in einem überzeugend gesichts- und charakterlosen und vollkommen austauschbaren Touristenaufbewahrungsbehälter zu befinden. (Der aber küchtentechnisch außergewöhnlich gut ausgestattet war, auch wenn es kein Körnchen Salz gab.) Den Atem geraubt hat uns lediglich der Kanalisationsgestank aus dem Badezimmer.
Nachdem unsere Thermostat-Interventionen nichts fruchteten, bestellten wir einen Techniker ein, der dem Rätsel rasch auf die Spur kam: Die Fußbodenheizung war ausgeschaltet. Einschalten hätten wir sie ohne den freundlichen Hausinstallateur aber nicht können, die Hebel befanden sich in einem Schaltkasten im Flur. Allmählich heizte es auf … und heizte auf … und heizte auf. Nach einer durchschwitzten Nacht wachten wir mit schmerzhaft trockenem Hals und dumpfem Kopf auf und stellten fest: Raumtemperatur 25 Grad, der Fußboden gefühlte 35 Grad. Also wieder ein Anruf bei der Rezeption … das Eintreffen des Technikers, der dann auch für angenehme Raumtemperatur für den Rest unseres Aufenthaltes sorgte, haben wir aber nicht abgewartet, sondern endlich das gemacht, weswegen wir hier waren: Wellness.
Die einzig wahre Therme?
Die Erwartungen waren durchaus hoch: Ziel des „einzigen namhaften Anbieters von Wellness und mehr Lebensgenuss“ ist es schließlich, „die beste Therme im Raum zwischen den Alpen, der Adria und Donau zu werden.“ Dabei wird nicht mit vollmundigen Ankündigungen gespart: „Während eures Aufenthalts in Terme Olimia haben wir eine Reihe von Möglichkeiten des Hedonismus für zwei vorbereitet. Überall fügten wir einen Hauch von Romantik, Intimität, beruhigenden körperlichen Gefühlen, gegenseitiger Verwöhnung, großartigen Geschmäckern und magischen Momenten hinzu.“ Ja, es gibt sogar „Ecken, in denen die Intimität wirklich keine Grenzen kennt“. Nun ja. Wer sich jetzt die Freizügigkeit einer mittelalterlichen Badestube vorstellt, wird enttäuscht werden. Eher im Gegenteil: Zwar ist Nacktheit in den Saunen und Dampfkammern obligat, überall sonst werden jedoch die (überdurchschnittlich vielen jungen) schwitzenden Leiber stets sofort verhüllt; ein wenig unentspannt.
Im Bereich Orhidelia ist alles durchgestylt: indirekte Beleuchtung in den Anwendungsräumen (sehr gelungen), Beton-Metall-Skulpturen (steil), Legionen von Plastikpflanzen (beste Qualität), Ambience-Gedudel (nervig). Der vorherrschende Farbton ist ein dunkles Braun (na ja). Die vereinzelt aufgestellten goldfarbenen Barock-Polsterstühle sind so daneben, dass es schon wieder passt.
Nachdem wir uns zwei der letzten freien Liegen gesichert und einen Rundgang durch die durchaus herausfordernd unübersichtlich verwinkelte, gepflegte Anlage absolviert hatten, starteten wir den Wellness-Triathlon: Dampfbad, Infrarotkabine, finnische Sauna. Von Letzterer gab es genau eine – dachten wir zunächst, weil sich uns erst später erschloss, dass es eine Verbindung zum zweiten Wellness-Bereich gibt, Termalia. Die Zweite-Klasse-Saunawelt besticht buchstäblich durch ihre Farbgebung: Grellgrün und Augenschmerz-Orange machen das Orhidelia-Braun schlagartig zur Sehnsuchtskolorierung.
Zurück zum Triathlon. Alle Dampfbäder sind hervorragend, besonders gelungen ist auch die Infrarotkabine für zehn Personen. Der geplante Klimax in der Orhidelia-Sauna blieb jedoch aus: eher unter als über 80 Grad und weit und breit kein Aufguss in Sicht; mangels Utensilien ist auch die Selbsthilfe nicht möglich. Die Sauna-Programme sind nicht notwendigerweise geeignet: Wir machten eines mit, wobei wir einem jungen Mann bei einem 15-minütigen Gong-Solo lauschten. Kein Aufguss.
Kein Finnisch-Finish
Ohne vollständige Befriedigung (Coitus interruptus, wohlwollender formuliert könnte man auch von Tantra-Sauna sprechen) endete also Tag eins. Am nächsten machten wir vieles besser: Wir kamen früher, mieden den zu warmen und mit Kaufhausmusik beschallten Liegebereich und genossen stattdessen die herrliche Stille und Aussicht einer handy- und dudelfreien, angenehmst temperierten Ruhezone. In der Orhidelia-Gastro bediente uns eine freizeitphilosophisch parlierende, unwahrscheinlich freundliche, humorvolle und hilfsbereite Kellnerin, der wir leider kein Trinkgeld geben konnten, weil das Aufbuchen eines solchen auf den Chip nicht vorgesehen ist. Das spektakuläre Abendorangerosalila im Himmelblau verführte etliche Gäste dazu, samt Handy in den Whirlpool zu steigen, um das wunderschöne Bild samt Spiegelung im Wasser und den umliegenden Glasflächen festzuhalten.
Solcherart auch ohne finnischen Höhepunkt tiefenentspannt und weitestgehend versöhnt mit Wellness Orhidelia, ließen wir den Abend erneut im glutenfreien Restaurant direkt unterhalb unseres Apartments ausklingen. Das zählte mit zu den größten Vorzügen vor Ort: Meine Partnerin konnte erstmals seit eineinhalb Jahren wieder in einem Restaurant einfach das bestellen, wonach ihr gerade der Sinn stand. Wir aßen dreimal dort, es gab Okay-Pizza, gute Pasta und sehr gute Lasagne, und aus der Sicht eines überzeugten Allesessers kann ich sagen: Das Fehlen von (Weizen)mehl fällt einfach nicht auf außer beim dazugereichten Weiß„brot“.
Fazit: Viel Positives und sogar Herausragendes neben manch Gewöhnungsbedürftigem und leider auch Misslungenem. Für besten Unterhaltungswert sorgen die unfreiwillig sehr komischen deutschen Texte auf der Website. Die dort formulierten, völlig überzogenen Ansprüche und Erwartungshaltungen wären mit Sicherheit für keinen Wellness-Tempel der Welt erfüllbar und gehörten mitsamt dem gesamten deutschsprachigen Inhalt vollständig neu aufgesetzt. Unterm Strich fällt das Preis-Leistungs-Verhältnis knapp negativ aus.
Alle Zitate von https://www.terme-olimia.com