Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Die Spanische Fliege unserer Breiten

Schwarzblauer Ölkäfer, Foto Helmuth Santler Dieses hübsche Kerlchen ist „Insekt des Jahres“: der Schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabeus). Wie alle rund 500 Vertreter seiner Art wehrt er sich bei Gefahr mit einem hochpotenten Gift: ein Käfer kann einen Menschen töten. Allerdings müsste der das Tierlein dazu schon verschlucken. Da hochpotent in diesem Fall aber doppelt wörtlich verstanden werden kann, hat man genau das nicht selten getan. „Geschlechtstrieb bis zur Geilheit erhöht“ wird nämlich das Arzneimittelbild des Hauptwirkstoffs Cantharidin beschrieben. Der Stoff wirkt: „Ein Weib beeidete, ihr Mann hätte nach Anwendung dieses Mittels in der vergangenen Nacht 40-mal den Beischlaf mit ihr ausgeübt. Der Mann war noch beim Verhör so erregt, dass er die Untersuchungskommission beschwor, ihn in seinem Wolllustgenuss sterben zu lassen; was wunschgemäß kurz darauf geschehen sein soll.“
Schwarzblauer Ölkäfer, Foto Helmuth SantlerDas Problem: die wirksame Dosis Cantharidin liegt ganz knapp unter der tödlichen von gerade einmal 0,03 Gramm. Besonders beliebt – oder notwendig? – scheint die lebensgefährliche Hervorrufung „schamloser Brunst“ im Mittelmeerraum gewesen zu sein, weshalb es die dort verbreitete Kantharidenart zu weit größerer Bekanntheit gebracht hat: Die in Grün-Metallic schillernde Spanische Fliege wurde z.B. zu Bonbons verarbeitet mit dem vielversprechenden Namen „Diavolini di Napoli“. Noch weiter zurück, in der Antike, vergönnte man manchen Delinquenten zumindest ein letztes Hochgefühl: Kanthariden kamen als Alternative zum Schierlingsbecher als Henkersgift zum Einsatz.
Der Schwarzblaue Ölkäfer war die Spanische Fliege unserer Breiten und wurde dem Bier beigemengt. „Dieser Kaddentrank sollte gegen Schwäche jeglicher Art helfen.“ Betonung auf „jeglicher“.
Das Insekt des Jahres ist nicht bedroht, die Bestände sind aber rückläufig durch Verlust von Lebensraum. Die beste Chance für ein Face-to-Face: im Frühling in den Donauauen.
Alle Zitate aus: Rätsch, Müller-Ebeling; Lexikon der Liebesmittel. Fotos von mir.

Autor: Helmuth Santler

27. März 2020 um 12:11

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