Textmaker Helmuth Santler

Der Textmaker – und die Botschaft kommt an

Eltern helikoptern, der Jägersmann hat ausgedient

Drei Jahre nach der Nr. 27 gibt es wieder einen neuen: Duden – Die deutsche Rechtschreibung liegt seit dem heurigen Sommer in der 28. Auflage vor, und selbstverständlich ist es mit mittlerweile 148.000 Stichwörtern der dickste Rechtschreibduden aller Zeiten. Wobei, allzu viel hat sich nicht getan: rund 3.000 Stichwörter sind hinzugekommen, 300 wurden gestrichen, und sieht man sich einige der neuen Einträge an, kann man sich über das Adjektiv „neu“ nur wundern: Bartöl, Dachbegrünung, bienenfreundlich, Insektensterben, genderneutral hätte man allesamt seit Jahren im Duden vermutet. Dafür erwies sich die Redaktion in ihrer Reaktion auf die Coronakrise als äußerst fix: Kaum treibt das Virus sein Unwesen, schon finden sich Begriffe wie Reproduktionszahl, Ansteckungskette und Geisterspiel im Verzeichnis. Tatsächlich hängt die Aufnahme eines neuen Begriffes stark mit dessen Verwendungshäufigkeit zusammen. Insofern sind die Wortneuheiten ein interessantes Spiegelbild des gesellschaftlichen Diskurses, und da seit Anfang des laufenden Seuchenjahres über nichts annähernd so viel gesprochen wurde, haben es nicht nur schon existierende Begriffe wie das Geisterspiel dank ihres mittlerweile alltäglichen Vorkommens in den Duden geschafft, sondern auch völlig neue Wörter wie die eben erwähnte Coronakrise oder die Covid-19-Pandemie. „1Corona ohne Artikel (ugs. für Coronavirus[erkrankung])“ ist eben in aller Munde, offenbar im Gegensatz zu durchaus größeren Menschheitsproblemen wie dem Insektensterben, das gut 50 Jahre brauchte, um von der Welt, und weitere 20 Jahre, um vom Duden bemerkt zu werden. Auch die Aufnahme von Klimakrise wirkt mehr als überfällig, während Fridays for Future von anerkennenswerter Aktualität ist.

Natürlich ist den Dudenmenschen daraus kein Vorwurf zu machen: Sie protokollieren ja lediglich. Oder? Anders sieht es mit dem Verlust der einheitlichen deutschen Rechtschreibung aus, der auch in dieser Ausgabe mit den schon bekannten Dudenempfehlungen kein Ende gemacht wurde. Beispiel gefällig? Noch nie da gewesene oder dagewesene Ereignisse, etwas noch nie Dagewesenes oder da Gewesenes, sucht euch was aus. Auch sollte man Texte gut schreiben, man kann sie aber auch nach wie vor gutschreiben, nur nicht jemandem, das ginge lediglich mit Beträgen.

Für den professionellen Sprachgebrauch ist das durchaus aufwendig (ja, schreibt man seit der Reform der Reform wieder wie früher, aber natürlich ist aufwändig ebenfalls möglich): Es erfordert in jedem einzelnen Fall das Treffen einer Übereinkunft. Und wenigstens blanker Unsinn wie Texte gutzuschreiben hätte schon längst auf der orthografischen Müllhalde landen dürfen; so kann man Texte nämlich sicher nicht gut schreiben.

Damit ab mit dem (seit 1967 und der 16. Auflage gelben) Ziegel in die Pole Position der Handbibliothek; denn natürlich ist der Duden eben der Duden, unverzichtbar, meistverwendet und zwanghaft in der neuesten Auflage … Bis 2023 also!

Duden. Die deutsche Rechtschreibung. 28., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. € 28,80 / 1.294 S. Dudenverlag, Berlin 2020

Autor: Helmuth Santler

01. Dez. 2020 um 20:28

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