Steinharte Zeiten
Davide-Morosinotto-Storys sind sorgfältig recherchierte Zeitporträts mit Anspruch und Unterhaltungswert – und stets auch gegenwärtig, selbst wenn sie 10.000 v.u.Z. angesiedelt sind.
Ein ganzer Stamm kommt bei einem Feuer um. Nur Roqi und fünf weitere Jugendliche überleben, schaffen es allein aber nicht, in der unbarmherzigen Steinzeitwelt zu bestehen. Sich einem anderen Stamm anzuschließen scheint die Rettung, bringt aber gänzlich neue Probleme mit sich. Mit dem Kunstgriff, Tiere nach Eigenschaften zu benennen („Giganten“, „Schreckensvogel“), erzeugt Morosinotto ein Gefühl der Naturnähe, in dem auch das Ausgeliefert-Sein mitschwingt: Das Überleben muss der Welt abgerungen werden, Tag für Tag aufs Neue. Sich in diesem harschen, strikt ritualisierten Umfeld zu behaupten, fällt besonders Roqi schwer; er wird die bitteren Früchte seines egozentrischen Verhaltens ernten. Sich mehr zu nehmen, als einem zusteht, ist freilich nicht bloß Roqis Problem, erinnert es doch sehr an das Verhalten der ganzen Menschheit, damals wie heute. Ein spannendes, nachdenklich stimmendes Leseabenteuer, das lange nachschwingt.
Davide Morosinotto, „Die dunkle Stunde des Jägers“. € 15,50 / 288 S. Thienemann-Esslinger-Verlag, Stuttgart 2022