Hand anlegen gern gemacht
Vorweg eine kleine „Warnung“: Beim Durchstöbern dieses schön gemachten Buches könnte bei den Erwachsenen unter Ihnen das Gefühl aufkommen, irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein. „Wie haben sich die Menschen früher eigentlich die Zeit vertrieben?“, lautet die Grundsatzfrage dieses Buches. Gemeint ist damit jedoch nicht das Biedermeier, obwohl auch für dieses gilt: „Handys, das Internet und Videospiele gab es noch nicht.“ Und dann sind wir auch schon bei der „Generation unserer Urgroßeltern“, der „trotzdem nicht langweilig war“ und die noch wusste, „wie man aus wenigen Dingen leicht etwas basteln, nähen oder kochen kann“.
Da Ihr Rezensent über all diese „vergessenen Fertigkeiten“ verfügt, darf er sich also im zarten Alter von 59 bereits zur Urgroßelterngeneration zählen, obwohl er es noch nicht einmal zum einfachen Opa gebracht hat … nun ja. Lassen wir das beiseite und schlagen wir endlich das Buch auf, denn die Autorinnen haben ja völlig recht: Etwas selbst zu machen hat viele Vorteile. Nachhaltiger ist es, billiger meist auch. Der wohl wichtigste Punkt aber: Es macht einfach Spaß, mit den Händen zu arbeiten, tatsächlich etwas zu erschaffen, etwas Tatsächliches zu erschaffen. Das dann, nebenbei bemerkt, selbstverständlich einzigartig ist und nicht beliebig kopier- und austauschbar wie alles Digitale.
Und dann geht es auch gleich ans Praktische und der Fertigkeiten-versierte Rezensent lernt Demut und staunt: über „Die 40 bekanntesten Knoten auf einen Blick“, fünf Lagerfeuer-Arten und wofür diese jeweils am besten geeignet sind, zwölf „Sticharten, die du kennen solltest“ für das „Nähen ohne Nähmaschine“ oder nicht weniger als elf Papierflieger-Modelle. Alles liebevoll und detailreich illustriert und dank sorgfältig ausgeführter Schritt-für-Schritt-Anleitungen bestmöglich zur Nachahmung aufbereitet. Auch ein Glossar ist vorhanden, es reicht von Angel(knoten) über Lochkamera und Quilten bis Zwiebel, und bei so manchem Stichwort kehrt sich der erste Eindruck um: Das war doch jetzt echt vor meiner Zeit. Dann bin ich wohl doch nicht so alt. Und jedenfalls noch jung genug, um in diesem Buch etwas zu lernen. Sehr zu empfehlen!
Elaine Batiste, Natalie Crowley, Chris Duriez, „Das Handbuch der vergessenen Fertigkeiten. Altes Wissen neu entdeckt. Zeitlos, nachhaltig und schnell zu lernen“. € 24,70 / 112 S. Insel, Berlin 2023